Es ist ein komisches Gefühl zu merken, dass man dabei mithilft,
Geschichte zu machen...
Am 22. Januar 1998, ungefähr sieben Monate, nachdem ich Die
Kathedrale und der Basar erstmalig publiziert hatte, gab Netscape
Communications, Inc. ihre
Pläne
bekannt, den Quellcode für den
Netscape Communicator zu veröffentlichen. Ich hatte noch am Tag vor
dieser Verlautbarung keine Ahnung davon, dass dies passieren würde.
Eric Hahn, der Executive Vice President und Chief Technology Officer
bei Netscape, schrieb mir kurz danach eine E-Mail:
"Im Namen aller Netscape-Mitarbeiter möchte ich Ihnen dafür danken,
dass Sie uns so weit gebracht haben. Ihr Denken und Schreiben waren die
grundlegenden Inspirationen für unsere Entscheidung."
In der Woche darauf folgte ich Netscapes Einladung und flog nach
Silicon Valley, um zusammen mit ihren Top Executives und technischen
Leuten an einer eintägigen Strategiekonferenz teilzunehmen (das war am
4. Februar 1998). Wir entwarfen Netscapes Strategie zur Freigabe des
Quellcodes und Lizenzierung.
Ein paar Tage später schrieb ich Folgendes:
"Netscape steht kurz davor, uns einen riesigen Praxistest für das
Basar-Modell in der kommerziellen Welt zu ermöglichen. Die Open
Source-Kultur sieht sich nun einer Gefahr gegenüber; wenn Netscapes
Plan scheitert, kann das Open Source-Konzept dermaßen in Misskredit
geraten, dass sich die kommerzielle Welt für ein Jahrzehnt lang nicht
mehr darauf einlassen wird.
Auf der anderen Seite ist es eine großartige Gelegenheit. Die erste
Reaktion auf den Schachzug in der Wall Street und anderswo war
vorsichtiger Optimismus. Wir haben auch die Chance, etwas zu beweisen.
Wenn Netscape dadurch bedeutende Marktanteile zurückgewinnen kann,
könnte es eine längst fällige Revolution in der Software-Industrie
auslösen.
Das nächste Jahr sollte eine sehr lehrreiche und interessante Zeit
werden."
Und das war es dann auch. Ich schreibe dies zur Jahresmitte 1999. Die
Entwicklung dessen, was später
Mozilla
genannt wurde, war nur ein
teilweiser Erfolg. Das ursprüngliche Ziel Netscapes wurde erreicht --
Microsoft ein Monopol am Browser-Markt zu vereiteln. Der Schachzug
bewirkte auch einige dramatische Erfolge (vor allem die Freigabe der
Rendering Engine der nächsten Generation -
Gecko).
Das Unternehmen war aber noch nicht in der Lage, außerhalb Netscapes
jene massive Entwicklungskapazität zu sammeln, die sich die Gründer
von Mozilla ursprünglich erhofft hatten. Das Problem dabei scheint zu
sein, dass die Mozilla-Distribution lange Zeit eine der grundlegenden
Regeln des Basar-Modells brachen; sie lieferten nichts aus, was
potentielle Teilnehmer leicht laufen lassen und arbeiten sehen
konnten. (Bis mehr als ein Jahr nach der Release erforderte das
Kompilieren von Mozilla eine Lizenz für eine proprietäre
Motif-Bibliothek.)
Am negativsten wirkte sich aus (vom Standpunkt der Welt außerhalb
Netscapes), dass die Mozilla Group noch keinen Browser von
professioneller Qualität geliefert hat -- und eine der Vorstände des
Projekts sorgte für eine kleine Sensation, als er zurücktrat und sich
über schlechtes Management und verpasste Gelegenheiten beschwerte.
Open Source, so seine korrekte Beobachtung, ist kein Zauberstab.
Das stimmt natürlich. Die langfristige Prognose für Mozilla sieht
heute (August 1999) viel besser aus als zur Zeit von Jamie Zawinskis
Rücktrittserklärung -- er lag aber ganz richtig mit dem Hinweis, dass
die Veröffentlichung des Quellcodes nicht notwendigerweise ein
existierendes Projekt retten kann, das durch schlecht definierte Ziele,
Spaghetticode und anderen chronischen Krankheiten der
Software-Entwicklung geplagt ist. Mozilla hat es geschafft, uns
gleichzeitig ein Beispiel dafür zu liefern, unter welchen Umständen
Open Source Erfolg haben kann und unter welchen Umständen die Methode
scheitern wird.
In der Zwischenzeit hat die Open Source-Idee aber weitere Erfolge
landen und weitere Unterstützung finden können. 1998 und Ende 1999
erlebten wir eine gewaltige Explosion des Interesses an der Open
Source-Entwicklungsmethode -- ein Trend, der sowohl den anhaltenden
Erfolg von Linux antreibt als auch davon in Schwung gehalten wird. Die
von Mozilla in Gang gesetzte Bewegung beschleunigt sich noch weiter.
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